Eigentlich wollten wir – gemeinsam mit dem Skiverband Sachsen-Anhalt und dem SC St. Andreasberg am 19.02. groß und offiziell mit den Herren und Damen aus Sport, Politik und Wirtschaft 125 Jahre gemeinsame Skigeschichte feiern. Geplant war eine Feierstunde auf dem Brocken. Da die dortigen Gegebenheiten es nicht zulassen, eine für alle offene Veranstaltung zu planen, taten wir bereits auf unserer Vertreterversammlung im September 2020 kund, dass wir zweimal feiern werden: Einmal mit dem “ausgesuchten“ Teilnehmerkreis auf dem Brocken und einmal im Sommer 2021 beim Landesleistungszentrum – ein Sommerfest des Verbandes mit allen. Nun veranlasst uns die Verlängerung des Lockdowns die erste Feier abzusagen.
Ein Blick in die Harzer Skisportgeschichte ist auch eine Geschichte unseres Verbandes. Wir bekommen eine Erklärung für die Bedeutung des für uns so geschichtsträchtigen Tages 19.02.1896, nämlich die Geburtsstunde des organisierten Skisports im Harz.
Der Tag ist verbunden mit der Gründung des „OHSK“ > Oberharzerskiklub. Einige Skipioniere aus St. Andreasberg und Umgebung haben diesen Tag nach einer Skiwanderung auf den Brocken gewählt, um hier mittags ein Gründungsprotokoll zu schreiben. Man fragt sich wofür eigentlich? Der Skihistoriker Dr. G. Falkner hat herausgefunden, dass die Idee zunächst rein naturverbunden war, um die winterlichen Schönheiten des Oberharzes kennenzulernen“. Der Winter im Harz sollte bei gemeinsamen „Schneeschuhwandertouren“ erlebt werden. Dieser löbliche ideelle Ansatz wurde sehr schnell mit sportlichen Ambitionen allumfassend erweitert, der Grundstein für den „organisierten Skisport“ wurde gelegt: Die ersten Wettbewerbe fanden schon 1896 statt. Langlauf-, Sprunglauf- und Alpine Skilaufangebote machten den Harz attraktiv. Vereinsgründungen waren eine Folge, so auch der SC St. Andreasberg, der ebenfalls auf dieses Gründungsdatum zurückblickt, und der Ort zunächst die Zentrale des OHSK wurde. Insgesamt zeigte sich der OHSK nun als organisatorische und lokal übergeordnete Vertretung. Der Harz erwachte und entdeckte die Chancen eines sich verbreitenden Skibooms, den Skitourismus! So klassifizierte man z. B. Skiwanderwege. Die Mitgliederzahlen in den skisporttreibenden Regionen Harz und Thüringen übertrafen noch bis in die 20er Jahre die des 1907 gegründeten DSV. Regionalmeisterschaften wurden sogar von einem Hannoverschen Verein organisiert, stellte Falkner fest. Die Vergabe von Deutschen Meisterschaften 1909 und 1922 nach Braunlage zeigt, welche Bedeutung dem OSHK und den Vereinen im Harz zugeordnet wurde.
Man höre und staune: 1927/28 zählt der OHSK „mit 78 Ortsgruppen und 5000 Mitglieder“ seinen höchsten Stand, und die Mehrzahl der Ortsgruppen aus dem Flachland übertrumpfte die des Harzes. Eine Vielzahl von Hütten, die heute noch im Harz stehen, standen den „Flachländern“ als Übernachtungs- und „Geselligkeitsspots“ zur Verfügung. Dies führte zu einer gewissen Verlagerung des Skisports in Richtung touristischen, freizeitorientierten Skilauf. Innerhalb des OHSK gab es interne Spannungen, und es ging auch um die Frage, ob man sich dem DSV anschließen sollte. Die Umbenennung des OHSK zum Harzer Skiverband (HSV) symbolisierte 1927 letztlich die Vereinigung der streitenden Parteien der so groß gewordenen Skisportgemeinde.
Dem HSV oblag es, eine Synthese aus wettkampforientiertem Skisport und touristischem Skilauf herzustellen. Vor allem suchte man Anschluss an die „moderne Skilaufentwicklung“, wie sie sich im Süden und in den Alpenländern bereits abzeichnete. Noch in den 30ern bewarb man sich um die Ausrichtung der olympischen Winterspiele 1936. Das war gar nicht so abwegig. Mit der Ablehnung durch die zuständige Kommission des Olympischen Komitees wurden aber die Harzer mit der Durchführung der „4. Winterkampfspielen 1934“ – eine erste sportliche NS-Großveranstaltung – in Braunlage „vertröstet“. Hier endete dann das Wirken des HSV, denn die Nationalsozialisten lösten die Organisation 1933 auf und unterstellten sie den Gauen innerhalb des Deutschen Skiverbandes.
Der zeitliche Sprung in die Nachkriegszeit ab 1945 bringt uns in die „Neugründungsphase“ des organisierten Sports in Deutschland; ein neues Deutschland, aufgeteilt in Besatzungszonen mit neuen Länderbezeichnungen. Den Harz teilen sich nun Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Die übergeordneten Sportorganisationen sollen von unten her, „von den Vereinen“, geschaffen werden, das war das Mantra der westlichen Besatzungsmächte, zentralistische Strukturen wurden abgelehnt.
In Niedersachsen durfte sich 1947 ein „Fachverband Wintersport“ in Goslar erstmalig gründen, um Anfang 1948 schon die ersten Wettbewerbe zu organisieren. Im Mittelpunkt solcher Wettbewerbe standen St. Andreasberg (alpin) und Braunlage (nordisch).
Die Umbenennung und damit Neugründung zum „Harzer Skiverband“ (HSV) wurde dann Ende 1948 in Niedersachsen vollzogen und ist vor dem Hintergrund der Teilung Deutschlands und der unterschiedlichen Gründung von Ländersportbünden und späteren Dachorganisationen (der DSB etablierte sich 1950!) zu betrachten. Bemühungen, gemeinsame Wettbewerbe grenzüberschreitend im Harz zu organisieren, kennzeichnen die Situation in den 50er Jahren, letztlich aber gehen Ost- und Westharz getrennte Wege. Internationales Skispringen, deutsche Jugendskimeisterschaften, Harzer Skimeisterschaften in allen Disziplinen, deutsche nordische Skimeisterschaften, Vergleichswettkämpfe zwischen den Norddeutschen Ländern etc. füllen über Jahre hinweg den Wettbewerbskalender des HSV. Daneben agieren die Vereine mit einer Vielzahl von lokalen Wettbewerbsausschreibungen und Durchführungen.
Man kann vorsichtig sagen, dass bis hinein in die 60er Jahren allein Wettbewerbe und sportpolitische Ereignisse das Wirken des Harzer Skiverbandes beherrschten. Bei vielen internationalen Wettkämpfen waren Harzer Skiläufer und Skispringer auf Siegespodesten dabei. Es würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen, wenn man alle „Berühmtheiten“ aufzählen wollte. Belassen wir es dabei, Walter Lampe – unseren letzten Präsidenten – zu nennen, der 1970 deutscher Meister im Skispringen wurde und den Harz (!) u.a. auch auf internationalem Parkett vertrat (z.B. 1968 – Olympische Winterspiele Grenoble).
Aus der Chronik des Sports in Niedersachsen erfährt man, dass der 1950 gegründete LSB mit dem Programm der „Ausbreitung des Sports“ und der „Sozialen Offensive des Sports“ durch bereitgestellte Finanzmittel ab 1956 den Anstoß zu Neugründungen von Vereinen und Abteilungen und Mitgliedereintritten gab. Davon und vom begleitenden Wirtschaftsaufschwung partizipierte auch der Harzer Skiverband, dessen Mitgliederzahlen im Laufe der Zeit mit über 10 000 bei beinahe 80 Vereinen und Skiabteilungen einen Höchststand erreichte. Es war der Vielzahl der Flachlandvereine und der Struktur des DSV geschuldet, dass es 1974 zu einer Neubenennung kam: Aus dem Harzer Skiverband wurde der Niedersächsische Skiverband.
Die LSB Programme verstärkten neben der Wettkampf- und Leistungssportorientierung des Verbandes besonders die breiten- und freizeitsportlichen Aktivitäten im Verband. Durch die Förderung der Übungsleiterausbildung in den Verbänden bekamen die Vereine ihren notwendigen fachkundigen Unterbau für die Betreuung ihrer Mitglieder.
Strukturell erhielt dadurch neben dem Leistungssport der Breitensport mit seinen Funktionsstellen Verbandstourenwart und Verbandslehrwart seine Repräsentation im Vorstand bzw. später im Präsidium des Skiverbandes. Das Tourenwesen und das alpin-orientierte Lehrwesen präsentieren sich durch ihre Landeslehrteams mit der Ausbildung zu Übungsleitern (Unterstufe >> Oberstufe). Geschult vom DSV organisieren sie die Aus- und Fortbildung, die sich heute schneebedingt vom Harz örtlich immer mehr in den Alpenraum verlagert. Diese Entwicklung hat aber der Attraktivität dieser Ausbildung nicht geschadet. Heute zeigt sich der Fachbereich Ausbildung/Breitensport mit durchschnittlich mehr als 300 Aus- und Fortbildungen pro Saison für alle Disziplinen innerhalb des DSV stark aufgestellt. Die Übungsleiter von heute heißen jetzt „Trainer C = Grundstufe“ und „Trainer B = Instructor“, sie decken die Wünsche der Vereine und des Schulsports und den Ruf nach Kompetenz für die organisierten Skifreizeiten ab. Zusätzlich steht der Verband als Schirmherr für etliche Breitensportoffensiven, initiiert von Vereinen zur Mitgliedergewinnung, aber vereinsoffen gestaltet. Veranstaltungen wie „Tag des Skiwanderns“, „Tag der Braunschweiger Skijugend“, „Vereinstourenwettbewerb“ (hier konnte man für seine gelaufenen km und Höhenmeter ein Tourenabzeichen bekommen), „Schulskitag Niedersachsen“, „Snow Kids Day“ und „Jugend trainiert für Olympia“ dokumentieren diesen breitensportlichen Ansatz. „Harz on Tour“(nordisch) und der <Harzer Zwergen Cup“ (alpin) zeugen von zusätzlichen wettbewerbsorientierten Ansinnen.
„Ohne Unterbau kein Überbau oder ohne Breitensport kein Wettkampf- bzw. Leistungssport“. Das soll heißen, dass das Wettkampfgeschehen im Harz seinen natürlichen Fortgang nahm. Talente boten sich genug an, man musste sie nur auffangen und ihnen eine Plattform bieten. Die Vereine taten ihr Bestes, stellten sich nach wie vor als Wettkampforte für nationale und internationale Meisterschaften zur Verfügung, sogar der neu eingeführte Biathlonwettbewerb wurde 1973 und in den Folgejahren in Altenau und später in Clausthal-Zellerfeld abgehalten. Schwieriger wurde die Situation durch die erkennbaren Unwägbarkeiten des Winterwetters. Winter blieben aus! Der nationale und internationale Wettbewerbsdruck wurde stärker. Leistung im Skisport zu erbringen, bedeutet „Ganzjahrestraining“, moderne Sportstätten, vermehrte Finanzmittel und letztlich ein „planbares“ Wintergeschehen. Vereine im Harz und der Verband mobilisieren Orientierungslaufwettbewerbe im Sommer, erstellen 1972 eine 1000 m lange Kunststoffloipe in Clausthal-Zellerfeld, und ab 1987 beginnt man mit dem Bau einer Skirollerstrecke in Clausthal und der Errichtung eines Landesleistungszentrums mit Schießanlage für die Biathleten im Gebiet Sonnenberg, letztlich wird ein Skiinternat für talentierte Leistungssport ambitionierte Schüler und Jugendliche eingerichtet. Hauptberuflich eingesetzte Trainer führen den Nachwuchs in die Nationalkader. Namen wie Arnd Peiffer, Franziska Hildebrandt, Daniel Böhm und der 2020 „frischgebackene“ Juniorenweltmeister in der Verfolgung, Danilo Riethmüller, sind entsprechende Beweise einer vereinsoffenen leistungssportorientierten Verbandsarbeit. Richard Schulze und Walter Lampe, der 1996 den Präsidenten Karl-Heiz Baumgarten ablöst und vorher Vizepräsident war, treiben mit dem Rat des erfahrenen Trainers Frank Spengler den weiteren Ausbau des Stützpunktes voran, der eine Zeitlang sogar als Bundesleistungszentrum fungierte und jetzt den Namen Landesleistungszentrum „Richard Schulze Arena“ trägt.
So sehr im Verband der Focus auf nordische Disziplinen gerichtet ist, so hat sich auch der alpine Skilauf leistungssportlich halten können. Zumindest im Jugendbereich wird trotz erschwerter und kostenaufwendiger Trainingsverhältnisse gearbeitet. Ansprüche der alpinen Freizeitsportler auf den wenigen Pisten im Harz erschweren die Arbeit der Trainer und Ausbilder und die Durchführung von Wettbewerben.125 Jahre Zeitgeschichte zeigen, wie sich die Verbandsarbeit überlokal und überregional etabliert hat. Die Skipioniere von damals haben einen Trend erkannt, dass „Skisport erleben“ über die Vereinsstrukturen hinaus in vereinsoffenen Wettbewerben und Veranstaltungen zu vermitteln ist, daher auch einer Organisation bedarf, um die Skisportler zusammenzuführen, – zu einer Skigemeinde!
Unser Niedersächsische Skiverband teilt sich gemeinsam mit dem Skiverband Sachsen-Anhalt und dem SC St. Andreasberg das Jubiläumsjahr 2021. Wir alle blicken auf die Traditionen gemeinsam zurück. Wir fördern und führen zeitangepasst die aufgezeigten leistungssportlichen und breitensportlichen Ambitionen fort. Mit dem Anbringen einer Ehrentafel am 19.02.2021 auf dem Brocken wollten wir die Geburtsstunde des organisierten Skisports und die Skipioniere feiern.
Die Coronaregeln lassen dies leider nicht zu. Hoffen wir, dass wir in diesem Jahr noch einen gemeinsamen Termin finden können. Der NSV selbst plant für seine Vereine und Mitglieder ein Sommer- Jubiläumsfest am 10.07.2021 auf dem Gelände des Landesleistungszentrums Sonnenberg:
Bis dahin! „Save the Date“!
Andreas Naeschke
-Präsident des NSV-